Öffentliche Prostitution


Die öffentliche Prostitution definiert eine Form der Prostitution, die im öffentlichen Raum stattfindet. Andere Bezeichnungen sind Strassenprostitution, Strassen- oder Autostrich. Die Prostituierten warten im Freien, um im Auto vorbeifahrenden, teils auch zu Fuss vorbeikommenden Freiern ihre sexuellen Dienste anzubieten. In der Prostitutionshierarchie befinden sich die Frauen und Männer, die auf der Strasse stehen, am unteren Ende, da die Preise oft niedriger sind. Strassenprostitution wird auch als Gelegenheitsprostitution ausgeübt sowie als Beschaffungsprostitution (Drogenprostitution).

Begriffsherkunft und Bezeichnungen


Die Bezeichnung Strich als eine Strasse oder Gegend, in der sich Dirnen anbieten, stammt aus der Jägersprache; hier werden als Strich die gewohnten Wege des Wildes bezeichnet. Eine andere Definition führt den Begriff als Kurzform von Landstrich, also eine Bezeichnung für ein abgegrenztes Gebiet. Eine andere Erklärung kommt aus der Prostitutionsverordnung Wiens zur Zeit der Jahrhundertwende, nach der die Strassendirnen sich nur innerhalb eines bestimmten Bereiches („hinter dem Strich“) am Bordsteinrand aufhalten durften (daher wahrscheinlich auch der Begriff Bordsteinschwalben für Prostituierte vom Strassenstrich), um die herkömmlichen Passanten nicht zu behindern. Ganz ähnlich gab es in Hamburg einen weissen Strich an den Anlegern der Schiffe. Weiter durften sich die Prostituierten den Schiffen nicht nähern. So standen die Damen „auf dem Strich“ und warteten auf ihre ankommende Kundschaft.

Neben den Strich-Mädchen gibt es Strich-Jungen, die sich homosexuellen Männern auf der Strasse anbieten. Das Angebot bedeutete für ihre Kunden eine Gefahr, da homosexuelle Handlungen unter 18 Jahren vom Strafrecht (nach § 175) sanktioniert wurden; zudem betätigten sich Stricher mitunter als Erpresser. Nach Knoll und Jaeckel sind höchstens 20 bis 30 Prozent der Strichjungen selber homosexuell; für die anderen ist der Strich ein Geschäft, das oft auch zur Drogenbeschaffung dient.

Baby- und Kinderstrich steht für ein Gebiet, in dem vorwiegend oder überhaupt sehr junge Frauen der Prostitution nachgehen. Weitere Bezeichnungen sind: „Hausfrauenstrich“ für ältere Prostituierte, „Balkanstrich“ für Frauen aus dem Balkan. Teilweise erfolgt die Benennung eines Strichs auch nach dem jeweiligen Freierkreis: So existieren zum Beispiel die abwertenden Bezeichnungen Kanaken- und Molukken-Strich. Mit Abendstrich erfolgt eine Differenzierung nach Tageszeit.

Oft sind die „Striche“ penibel unter den einzelnen Gruppen aufgeteilt. Es ist den dort tätigen Personen zumeist nicht möglich, den zugewiesenen Standort zu wechseln. Dies wird von Zuhältern oder Strassen- und Platzmaklern überwacht.

Sperrbezirke


Der Strassenstrich ist in vielen Städten Deutschlands durch Sperrbezirksverordnungen mit allgemeinverbindlichem Satzungscharakter örtlich begrenzt. Viele Rotlichtviertel und Innenstädte werden so vom Strassenstrich freigehalten und Umfeldbeeinträchtigungen können so zumindest durch Ge- und Verbote eingeschränkt werden. Zur wirksamen Durchsetzung einer Sperrbezirksverordnung bedarf es neben dem grundlegenden Engagement seitens der städtischen Ordnungsämter vor allem institutioneller Kreativität bei der Auslotung von verhältnismässigen Massnahmen, um dem Anspruch einer hochqualitativen Bedürfnisbefriedigung aller Beteiligten gerecht zu werden und nicht zugleich einen sozialen Strafraum zu schaffen. Um solche Sperrgebietsverordnungen zu umgehen, sorgen käufliche Personen durch auffällige Haltung und Bekleidung oder durch Gesten wie geschlenkerte Handtaschen oder durch Mitführen eines auffälligen Hundes usw. dafür, dass sie angesprochen werden. Oft ziehen sie sich in Hauseingänge zurück und kommen nur hervor, wenn sie einen potentiellen Kunden sehen und keine Gefahr der Missbilligung durch andere besteht.

In einem deutschlandweiten Präzedenzfall hob das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen im März 2013 das 2011 von der Stadt Dortmund für das gesamte Stadtgebiet erlassene Verbot der Strassenprostitution auf.

Ausübungsformen


Die sexuellen Handlungen selbst finden manchmal anschliessend im Auto selbst statt, wobei zunächst in der Regel ein ruhiger Stellplatz, oder auch eine Verrichtungsbox mit dem Auto aufgesucht wird. Andererseits kann der sexuelle Kontakt auch auf dem Zimmer stattfinden, zum Beispiel in einem Stundenhotel oder, vor allem im Rahmen der organisierten Prostitution, in einem Bordell. Doch kann ein Strassenstrich auch zur Belastung für die Anwohner in der näheren Umgebung werden, wenn dann etwa ganze Etagen von Häusern in Wohngebieten mehr oder weniger offen zum Verrichtungsort werden; zudem kann der Freiersuchverkehr der motorisierten Kundschaft in den Abendstunden für Ärger bei den Anwohnern sorgen; das sind Gründe für die Einrichtung der Sperrbezirke.

1986 setzte die niederländische Stadt Utrecht ein international vielbeachtetes Konzept eines streng kontrollierten Strassenstrichs um, der einen mit „Verrichtungsboxen“ ausgestatteten geschützten, räumlich und zeitlich klar begrenzten Bereich umfasst. Innerhalb dieser Zone können die Prostituierten ihrem Gewerbe unter relativ sicheren und hygienischen Bedingungen legal nachgehen. Das sogenannte „Utrechter Modell“ wurde seitdem in mehreren Städten innerhalb und ausserhalb der Niederlande übernommen, darunter Köln, Essen und Zürich.

In ländlichen Gegenden und Hafenbezirken gibt es Strassenstriche, bei denen sich mobile Prostituierte in Wohnwagen oder Wohnmobilen, sogenannte Lovemobile, anbieten. Diese zielen hauptsächlich auf Fernfahrer und Berufspendler als Kundschaft ab. In Deutschland kommt diese Form der Prostitution häufig am Rande von Bundesstrassen oder auf Parkplätzen an der Autobahn vor.

Verbreitet ist die ländliche Strassenprostitution auch in anderen europäischen Ländern, zum Beispiel in Italien, wo Bordelle verboten sind. Die dortigen Strassenprostituierten, meist schwarzafrikanischer oder osteuropäischer Herkunft mit in der Regel illegalem Aufenthaltsstatus, gehen dieser Aktivität daher sehr häufig – unfreiwillig und gezwungenermassen – an Haupt- und Nebenverkehrsstrassen nach. Ein anderes Beispiel sind die grenznahen Regionen der östlich angrenzenden Nachbarländer.

Probleme


Auf einigen Strassenstrichen finden sich Prostituierte, die keine Möglichkeit zur Arbeit in Bordellen, Bars usw. haben, oder weil sie der Prostitution z. B. aufgrund einer persönlichen finanziellen Krise nur für kurze Zeit nachgehen wollen (vgl. Gelegenheitsprostitution). Bis zur Abschaffung des Bockscheins 2001 konnten auch solche Prostituierte nur auf dem Strassenstrich arbeiten, die als Drogenabhängige oder HIV-Infizierte nicht dieses notwendige Gesundheitszeugnis bekommen und vorlegen konnten (vgl. Beschaffungsprostitution (Drogenprostitution)). Jedoch bieten aus der Not heraus oft gerade Hochrisikogruppen unter den Prostituierten in Deutschland bezahlten Sex ohne Kondom an, so dass sowohl der Freier, der solchen verlangt, als auch die Prostituierten selbst ein erhöhtes Infektionsrisiko eingehen. Des Weiteren ist die verbotene Prostitution von Minderjährigen auf einige Strassenstriche oder andere Orte mit geringer Kontrolldichte beschränkt. Besonders schwierige Bedingungen in Europa haben Frauen der Bevölkerungsgruppe Roma, die oft in Bulgarien beheimatet sind. In ihrer Heimat fehlt ihnen der Zugang zu Bildung. Die Arbeitslosenquote ist hoch. Die Prostitution ermöglicht den Frauen, ihre Familie finanziell zu unterstützen. Die Drogenabhängigkeit verschlechtert wiederum die Arbeitsmöglichkeiten, für geringstes Entgelt werden ungeschützte Sexpraktiken angeboten, was das Risiko der Übertragung von Geschlechtskrankheiten erhöhen kann. Insgesamt variieren Strassenstriche lokal und regional sehr stark, was die Zusammensetzung der Sexarbeiterinnen, die Kontrolldichte durch die Behörden und die Effizienz von Selbstkontrolle und sozialen Stützungseinrichtungen angeht.

Fallbeispiele


Deutschland




Österreich




Tschechien




Schweiz