Prostitution, vom lateinischen prostituere „nach vorn zur Schau stellen, preisgeben“, bezeichnet die Zurverfügungstellung sexueller Handlungen gegen Entgelt. Seit den 1970er-Jahren wird die Vornahme sexueller Handlungen gegen Entgelt oft unter dem Begriff Sexarbeit subsumiert. Erfolgt die Prostitution unfreiwillig, spricht man von Zwangsprostitution.
Prostitution kommt in allen Epochen und Kulturen vor. Die gesellschaftliche Bewertung unterliegt einem andauernden Wandel und wird von politischen, weltanschaulichen und religiösen Vorstellungen beeinflusst. Personen, die Prostitution ausüben, werden in vielen Kulturen als eine soziale Gruppe angesehen, die bis heute von Menschenhandel, Gewalt, Ausbeutung, Diskriminierung, Stigmatisierung und Verfolgung bedroht ist. Über Jahrhunderte waren Prostituierte darüber hinaus der Gefahr gesellschaftlicher und politischer Anfeindungen ausgesetzt, bis hin zu Kasernierung, Deportation und Ermordung. Während sie vielerorts entweder als Kriminelle stigmatisiert oder als Opfer gesehen wurden, setzte seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ein Wandel der öffentlichen Meinung ein. In westlichen Gesellschaften wenden sich seit dem späten 20. Jahrhundert Prostitutionsverbände und Amnesty International gegen Diskriminierung.
Geschichte
Altertum
Im Altertum, etwa in Babylon und bei den Phöniziern in Tyros, bestand vor mehr als 3000 Jahren die sogenannte Tempelprostitution. Frauen vollzogen dort sexuelle Handlungen gegen „Geschenke“ an den Tempel oder Opfergaben für die Gottheit. Dies stand stets in kultischem Zusammenhang und galt als den Göttern wohlgefällig. Im Gilgamesch-Epos, Tafel 6, Verse 5–79, sieht Albert Schott eine Kritik an den Auswüchsen der kultischen Prostitution. In der griechischen Antike sind Prostituierte im heutigen Sinne bezeugt, also ohne sakralen Hintergrund. Die Griechen unterschieden zwischen der gewöhnlichen Hure (πόρνη pórnē) und der Hetäre (ἑταῖρα). Auch die Feldzüge Alexanders des Großen wurden von zahlreichen Prostituierten begleitet. Sowohl Männer als auch Frauen boten sexuelle Dienste an, doch bei Griechen und Römern wurde die Inanspruchnahme dieser Leistungen vornehmlich den Männern zugestanden. In Rom arbeiteten frei geborene Prostituierte zumeist auf dem Straßenstrich, Sklavinnen in Pinten und Bordellen. Einblicke in das Bordellwesen geben insbesondere die Funde aus dem Lupanar in Pompeji.
Im Alten Testament erscheint Prostitution sowohl als kultische als auch als Erwerbsprostitution, zum Beispiel Sprüche 6,26. Die Prostitutionsverbote in Levitikus 19,29 und Deuteronomium 23,18 beziehen sich auf kultische Prostitution. Es wird als naheliegend dargestellt, dass ein Witwer die Dienste von Prostituierten in Anspruch nimmt; dieses Motiv nutzt Tamar, die Schwiegertochter Judas, als sie sich prostituiert, damit Juda die ihr vorenthaltene Leviratsehe an ihr vollzieht (Genesis 38,12–30). Der gezeugte Sohn Perez und seine Mutter Tamar werden im Neuen Testament im Stammbaum Jesu genannt (Matthäus 1,3). Neben Tamar erscheint mit Rahab eine weitere Frau im Stammbaum Jesu, die gewöhnlich als Prostituierte gedeutet wird (Josua 2; Matthäus 1,5). Im Neuen Testament wird berichtet, dass Jesus mit gesellschaftlichen Außenseitern respektvoll umging (Lukas 7,36–50), während in den Paulusbriefen Prostitution verworfen wird (1. Korinther 6,15 f.), im christlich geprägten Weltbild dann mit Scham und Sünde verbunden.
Die ersten schriftlichen Überlieferungen von Prostitution in Japan datieren ins 8. Jahrhundert, dürften aber weiter zurückreichen. Kurtisanen genossen dort Prestige und Anerkennung.
Mittelalter
Die kirchliche Moral verurteilte Prostitution; dennoch argumentierten Autoren wie Augustinus, es handele sich um ein „kleineres Übel“. Prostitution wurde eine Ventilfunktion für sexuelle Bedürfnisse zugeschrieben, insbesondere für jene, die durch das mittelalterliche Heiratsrecht benachteiligt waren. Im Spätmittelalter gab es in vielen deutschen Städten Bordelle im Besitz der Gemeinde; Prostitution war nicht nur geduldet, sondern institutionell geregelt. Stadträte verpachteten die Bordelle an Hurenwirte, welche Auflagen wie Hygienebestimmungen und Vereinbarungen über die Bezahlung einzuhalten hatten. Daneben herrschte Gelegenheitsprostitution und fahrendes Prostitutionswesen, besonders in ländlichen Gebieten. In städtischen Frauenhäusern und Privatbordellen wurden Prostituierte nicht nur mit lateinischen Begriffen bezeichnet, sondern auch mit Umschreibungen wie „freie Frauen“, „freie Töchter“, „gemeine Frauen“ (gemeyn frauwen), „gemeine Weiber“, „Fensterhennen“ (vensterhennen), „Hübschlerinnen“; reisende Prostituierte nannte man „fahrende Frauen“, „trippâniersen“ oder „soldiersen“.
Renaissance und frühe Neuzeit
In spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten waren die Hübschlerinnen oft zunftähnlich organisiert. Mit der Kirchenspaltung und der Reformation verloren viele Prostituierte Rechte und wurden aus Städten vertrieben, da die protestantische Sichtweise sie als Zeichen der Verderbtheit der katholischen Gesellschaft betrachtete. Viele wurden der Hexerei bezichtigt und verbrannt. In Österreich wurden die im Mittelalter eingerichteten Frauenhäuser im 16. Jahrhundert vielfach wieder geschlossen. Die Renaissance war zugleich eine Blütezeit des Kurtisanenwesens, einer gesellschaftlich akzeptierten Form der Prostitution. Insbesondere in Rom prägten Kurtisanen das Erscheinungsbild der Stadt; klerikale Prachtentfaltung und käuflicher Geschlechtsverkehr existierten nebeneinander. Bei Feiern, Theateraufführungen, Gelagen und Empfängen kirchlicher Würdenträger füllten Kurtisanen die als Verlust empfundene Abwesenheit von Frauen. Das Wort Kurtisane leitet sich von Cortigiana ab und bezeichnete um 1500 die gehobene Prostituierte, vergleichbar den Hetären der Antike.
Zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges zogen entwurzelte Frauen und Frauen im Gefolge der Heere als Trosshuren mit; der Tross erreichte teilweise solche Dimensionen, dass er von sogenannten Hurenweibeln organisiert wurde. Ein Frauenschicksal jener Zeit verarbeitete Grimmelshausen um 1670 im Romanzyklus Trutz Simplex.
17. Jahrhundert
Im Königreich Frankreich galt Prostitution im 17. Jahrhundert als strafbar. 1658 verfügte Ludwig XIV., dass Frauen, die der Prostitution nachgingen, wegen Unzucht oder Ehebruchs verurteilt und in die Salpêtrière internieret werden sollten, bis sie Buße getan und Absolution empfangen hätten. Dennoch bestanden Straßenprostitution und Bordellwesen fort. Parallel dazu blühten Kultur der Kurtisanen und Mätressen, von denen einige großen Einfluss und Wohlstand erlangten und als Modelle in der bildenden Kunst dienten. In darstellender Kunst waren die Übergänge zur Prostitution fließend; in der italienischen Oper wurden Frauen aus Schicklichkeit vielfach vom Gesang ausgeschlossen und Frauenrollen mit Kastraten besetzt.
18. Jahrhundert
1794 regelte § 999 des Preußischen Allgemeinen Landrechts, dass sich „liederliche Weibspersonen … in die unter Aufsicht des Staates geduldeten Hurenhäuser“ zu begeben hätten. Als „liederliche Weibspersonen“ galten Frauen, „welche mit ihrem Körper ein Gewerbe betreiben“ wollen.
Der britisch-niederländische Arzt und Sozialreformer Bernard de Mandeville sprach sich 1724 in einer Streitschrift für eine legalisierte, staatlich kontrollierte Prostitution aus. Seine Bescheidene Streitschrift für Öffentliche Freudenhäuser enthält für die Zeit eine differenzierte Geschlechterpsychologie. Jonathan Swifts spätere Satire A Modest Proposal spielt vermutlich auf diesen Titel an. Als Mittel gegen die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten empfahl Mandeville, Prostituierte kostenlos medizinisch zu behandeln, wenn sie eine Ansteckung freiwillig meldeten, sie aber zu verbannen und hart zu bestrafen, wenn sie eine Ansteckung verheimlichten.
19. Jahrhundert
Wegen des Bevölkerungswachstums in der Zeit der industriellen Revolution nahm die Zahl der Prostituierten besonders im 19. Jahrhundert stark zu. Ein wachsender Anteil der Stadtbevölkerung lebte in Armut. Besonders betroffen waren Frauen, die meist nur geringe Ausbildung genossen und auf schlecht bezahlte Tätigkeiten angewiesen waren. Zu den Gelegenheitsprostituierten zählten Dienstmädchen, Modistinnen, Blumenfrauen und Wäscherinnen, die sich auf diese Weise ihr Einkommen aufbesserten. Manche Frauen konnten allein durch Prostitution ihren Lebensunterhalt sichern. Karl Marx deutete 1844 Prostitution als besondere Ausdrucksform der allgemeinen Verproletarisierung des Arbeiters.
Zunehmend regelten Staaten die Prostitution gesetzlich; die Reglementierung, oft mit sozial-, gesundheitspolitischer oder moralischer Begründung, machte es Prostituierten praktisch schwer, dem Milieu zu entkommen. Diese Ordnung zementierte eine sexuelle Doppelmoral, die die Prostituierte gesellschaftlich ächtete, die Prostitution für Männer aber zugleich als notwendiges Übel oder als erlaubtes Erprobungsfeld ansah. Viele Frauen der Mittelschicht wehrten sich gegen diese Doppelmoral.
Im Bremer Reglement von 1852 wurde festgelegt, dass Prostitution „kein Gewerbe im eigentlichen Sinne“ sei; dadurch wurde die Sittenwidrigkeit juristisch verankert.
In Großbritannien wurden ab 1864 die Contagious Diseases Acts zur medizinischen Kontrolle gegen die Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten erlassen. Josephine Butler führte den Widerstand der Ladies’ National Organisation gegen diese Erlasse an. Die Kampagne stellte Prostituierte weniger als Schuldige denn als Opfer männlicher Lüsternheit dar, veränderte die politische Landschaft der spätviktorianischen Zeit und radikalisierte zahlreiche Frauen. Die Erlasse wurden 1883 außer Kraft gesetzt und 1885 vollständig aufgehoben. Das Interesse an den Rechten der Prostituierten ließ danach nach; die Schließung vieler Bordelle führte zu einer großen Verelendung, da viele Prostituierte auf die Straße gedrängt wurden und dort polizeilicher Willkür, Gewalt durch Kunden und Konkurrenzzuhältern schutzlos ausgeliefert waren. Die Folge war ein Anstieg krimineller Verhältnisse in der Prostitution und eine unkontrollierte Verbreitung von Geschlechtskrankheiten, die auch das Bürgertum betraf, da Hauptkunden häufig Söhne und Ehemänner bürgerlicher Frauen waren.
In der Kunst des ausgehenden 19. Jahrhunderts zeigte sich ein Bewertungswandel der Prostitution. Vertreter der naturalistischen Schule wie Richard Dehmel, Max Dauthendey, Otto Erich Hartleben, Otto Julius Bierbaum und Karl Bleibtreu suchten die Befreiung der Frau von moralischen Konventionen und die Aufwertung der Prostituierten; dies wurde teils literaturkritisch als lüstern empfunden.
20. Jahrhundert
Im Völkerrecht gab es Anstrengungen, Standards zur Bekämpfung von Prostitution und Menschenhandel zu schaffen, etwa das Internationale Übereinkommen von 1904 zum Schutz gegen Mädchenhandel und die Konvention von 1949 zur Unterbindung des Menschenhandels und der Ausnutzung der Prostitution anderer.
Im Zweiten Weltkrieg richteten Wehrmacht und SS Wehrmachtsbordelle ein; Frauen, die dort mit Geschlechtskrankheiten infiziert wurden, wurden teils in Vernichtungslager verbracht oder exekutiert. In Konzentrationslagern gab es Lagerbordelle. Kriegsparteien richteten Kriegsbordelle ein; den von den japanischen Besatzern als „ Trostfrauen “ bezeichneten Frauen, überwiegend Chinesinnen und Koreanerinnen, drohte Ähnliches.
In der DDR nutzte das Ministerium für Staatssicherheit die offiziell seit 1968 unter Strafe stehende Prostitution zur Informationsgewinnung über den „Klassenfeind“. Prostitution wurde geduldet und in Einzelfällen gefördert; sowohl männliche als auch weibliche Prostituierte wurden eingesetzt. Die Staatssicherheit bezeichnete diesen Einsatz als „frauenspezifische Verwendung“. Mit Kenntnissen über sexuelle Abweichungen der „Zielpersonen“ wurden diese erpressbar. Haupteinsatzorte bei Westbesuchern waren Intershops, die Leipziger Messe, internationale Kongresse und Devisenhotels.
Im Zuge der sexuellen Revolution rückte Prostitution vom Tabu zu einem weithin hingenommenen Alltagsphänomen. Anfang des 20. Jahrhunderts bot laut Erhebungen in den USA jede fünfzigste Frau zwischen 20 und 30 Jahren sexuelle Dienste gegen Geld an. In Bordellen tätige Prostituierte konnten beträchtliche Einkommen erzielen; spätere Zahlen zeigen deutlich geringere Durchschnittsverdienste bei Straßenprostitution. Teile der Frauenbewegung lehnten Prostitution ab, andere setzten sich für ihre Legalisierung und die Unterstützung der Prostituierten in Arbeitskämpfen ein. Die Hurenbewegung der 1980er und 1990er Jahre ist als Teil dieser Entwicklungen zu sehen.
Die zunehmende Globalisierung und Öffnung der Grenzen veränderte die Prostitution: Frauen aus Ländern mit prekären Lebensverhältnissen drängten in wohlhabendere Staaten oder wurden angeworben, was einheimische Prostituierte teilweise verdrängte und neue Strukturen entstehen ließ.
21. Jahrhundert
Seit den frühen 2000er-Jahren wurde in Teilen der westlichen Welt ein Rückgang der Kunden von Prostituierten beobachtet, teils erklärt durch wachsende Möglichkeiten außerehelicher sexueller Kontakte über Seitensprungportale, Swingerclubs sowie Telefon- und Internetangebote, teils durch Folgen von Finanz- und Wirtschaftskrisen. Zugleich lässt sich ein erweitert erscheinendes Angebot an Prostituierten verzeichnen.
Der Europäische Gerichtshof stellte im November 2001 fest, dass Prostitution zu den Erwerbstätigkeiten gehört, die „Teil des gemeinschaftlichen Wirtschaftslebens“ im Sinne von Art. 2 EG sind. In Deutschland gewann Felicitas Schirow im Dezember 2001 vor dem Berliner Verwaltungsgericht einen Prozess gegen die Schließung ihres Bordells Café Pssst!; das Gericht meinte, Prostitution sei heute nicht mehr generell als sittenwidrig anzusehen und habe eine veränderte Wertvorstellung erfahren. Stephanie Klee erstritt in einem weiteren Verfahren die Anerkennung von Lohnforderungen für sexuelle Dienstleistungen. Beide Entscheidungen wurden als bedeutsam für das Zustandekommen des im Januar 2002 in Kraft getretenen Prostitutionsgesetzes gewertet.
Der Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (FEMM) des Europäischen Parlaments empfahl im sogenannten Honeyball-Report die Einführung des „Schwedischen Modells“, das die Bestrafung der Kunden vorsieht. Sechs Jahre nach Einführung der Kundenstrafung wurde 2004 ein Rückgang der Prostitution, auch in Außenbereichen, in Schweden festgestellt. Am 26. Februar 2014 verabschiedete das Europäische Parlament eine nichtbindende Resolution zur Empfehlung des Schwedischen Modells; die Resolution fand in namentlicher Abstimmung eine Mehrheit. Der Europarat bekräftigte eine ähnliche Position mit der Resolution 1983 (2014). Menschenrechts-, Frauen- und Prostituiertenverbände sowie Fachleute aus Gesundheit, Wissenschaft und Polizei kritisierten in diesem Zusammenhang die Beweisführung und Quellenlage mancher Untersuchungen als unzureichend und warnten, dass die Kriminalisierung der Kunden Prostituierte in die Illegalität treiben und sie damit unzugänglich für Schutzmaßnahmen machen könne.
Die gesellschaftliche Wahrnehmung der Prostitution im 21. Jahrhundert ist fragmentiert und reicht von Forderungen nach Totalkriminalisierung bis hin zu völliger Legalisierung und Anerkennung als Erwerbstätigkeit. Als Gegenpol zu den abolitionistischen Gruppen, die die Prostitution abschaffen wollen, traten national und international Menschenrechts- und Prostitutionsverbände sowie Aktivisten auf, die Entkriminalisierung und Rechtsgleichstellung fordern. Die Auseinandersetzungen zwischen diesen Lagern werden bis in die Gegenwart intensiv in Öffentlichkeit und Medien geführt; dabei spielen soziale Medien und das Internet eine erhebliche Rolle bei Mobilisierung und Meinungsmache.
Formen und Ausprägungen
Datenlage
Erkenntnisse und Daten werden vornehmlich an Krisenorten wie Krankenhäusern, Psychiatrien, Kinderheimen, Flüchtlingslagern, Polizeistationen und Gefängnissen erhoben und sind durch die besonderen Umstände der betroffenen Personen sowie durch kulturelle, soziale und politische Rahmenbedingungen geprägt. Es existieren Umfragen sowohl unter Prostituierten als auch unter Kunden, diese sind jedoch nicht durchgängig repräsentativ.
Präzise Angaben zur Anzahl der Prostituierten lagen in Deutschland bis Ende 2013 nicht vor. 2017 trat die Verordnung über die Führung einer Bundesstatistik nach dem Prostituiertenschutzgesetz (Prostitutions-Statistikverordnung – ProstStatV) in Kraft.
GESA-Studie
Die GESA-Studie „Psychische Gesundheit von Prostituierten in der Covid-19-Pandemie“ enthält eine Übersicht zu den Kontexte der Berufsausübung auf Basis von n = 50 befragten Prostituierten. Demnach arbeiten die wenigsten Befragten auf dem Straßenstrich, in Wohnwagen oder in Laufhäusern; die Mehrzahl nannte Escort-Service oder Privatwohnung als Arbeitsort.
| Anteil | Kontext |
|---|---|
| 56 % | Escort-Service |
| 54 % | Privatwohnung |
| 42 % | Hotelzimmer |
| 36 % | Internetplattform |
| 16 % | Sexualassistenz |
| 12 % | BDSM-Studio |
| 12 % | Auto |
| 8 % | Saunaclub / Massagestudio / Swingerclub |
| 6 % | Laufhaus / Bordell |
| 2 % | Straßenstrich |
| 2 % | Wohnwagen |
Hinweis: Die Angaben geben Kontexte auf Basis einer kleinen Stichprobe wieder und sind nicht ohne Weiteres auf die Gesamtheit der Prostituierten übertragbar.
Prostitution im öffentlichen Raum
Bei der öffentlichen Prostitution stehen die Prostituierten an bestimmten, offiziell dafür vorgesehenen oder inoffiziell bekannten, offen einsehbaren Stellen und bieten sich potentiellen Kunden an. So findet Prostitution an Straßen, in Hotelbars, an Raststätten und an ähnlichen Orten statt. Relativ neu ist die Verrichtungsbox als kontrollierte Variante des Straßenstrichs. Bei der Straßenprostitution wird die Dienstleistung in der Regel entweder im Auto oder in Hotels erbracht, oft in sogenannten Stundenhotels. Einige Prostituierte warten in Wohnwagen oder Wohnmobilen, die ihren Arbeitsplatz darstellen, an Parkplätzen oder Autobahnraststätten auf Kunden. Stefan Zweig gibt einen Hinweis auf den Ursprung des Begriffs „Strichmädchen“ in seinem Buch Die Welt von Gestern: „In Wien wurden sie allgemein ›Strichmädchen‹ genannt, weil ihnen von der Polizei mit einem unsichtbaren Strich das Trottoir abgegrenzt war, das sie für ihre Werbezwecke benutzen durften...“
Prostitutionsstätten
Bordelle sind spezielle Häuser mit einem Kontaktraum, in dem der Kunde eine Prostituierte oder einen Stricher (House of Boys) auswählen kann und dann ein Zimmer für den Sex aufsucht, ähnlich einem Stundenhotel. Abwandlungen sind Laufhäuser oder Straßen mit schaufensterähnlichen Räumen im Erdgeschoss, in denen die Prostituierten sitzen.
Bei Modellprostitution mieten die Prostituierten Zimmer in sogenannten Modellwohnungen, manchmal nur für eine begrenzte Zeit. Sie werben zum Beispiel in Lokalzeitungen oder im Internet, um Kunden anzuziehen. Einige Betreiber solcher Modellwohnungen setzen gezielt auf dieses Angebot, um stets neue Gesichter zu garantieren und damit Kundeninteresse zu wecken. Teilweise sind diese Häuser untereinander vernetzt und die Prostituierten in ein Rotationsprinzip eingebunden.
Bei Prostitution in Kontaktsaunen oder sogenannten Partytreffs sitzen die Prostituierten in einer bewusst wohnlichen Atmosphäre und bieten sich den Kunden an. Für die Ausübung der sexuellen Handlungen sucht man Einzelräume auf oder sie finden auf sogenannten „Spielwiesen“ statt, wobei mehrere Paare gleichzeitig die ausgehandelte Tätigkeit durchführen können. Gewöhnlich zahlt der Kunde einen Pauschalbetrag als Eintritt, der ein kaltes oder warmes Buffet, Getränke sowie Wellnessangebote wie Sauna oder Whirlpool umfasst, jedoch keine sexuellen Dienstleistungen; diese sind direkt mit den Prostituierten zu vereinbaren.
In sogenannten Flatrate-Bordellen, auch Pauschalclubs genannt, zahlten Kunden zu Beginn einen Pauschalbetrag und konnten danach die Dienstleistungen der Frauen unbegrenzt nutzen. Diese Geschäftsform ist seit Einführung des Prostituiertenschutzgesetzes 2016 verboten.
In Nachtclubs sitzen Prostituierte als Animierdamen an der Bar; einige erhalten Provision, wenn sie mit Gästen trinken und so deren Konsum fördern.
Begleitservice und Besuchsprostitution
Bei Begleitservice oder Besuchsprostitution (Callgirls, Callboys) werden Prostituierte direkt über Kontaktanzeigen in Internet und Printmedien oder über Vermittlungsagenturen (sog. Escortagenturen) gebucht. Die gewünschte sexuelle Dienstleistung wird beim Kunden zu Hause, in einem Hotel oder in einer separat angemieteten Wohnung erbracht. Bei gehobenen Escortdiensten reisen die gebuchten Prostituierten mitunter oder werden für Aufträge ins Ausland eingeflogen. Im Internet erfolgt die Anbahnung meist über Erotikportale und Foren; letztere dienen auch dem Austausch über Gütekriterien der Leistung. Zu den bekanntesten Callgirls gehörte Xaviera Hollander.
Angebot diverser Sexualpraktiken
Angeboten werden zahlreiche Sexualpraktiken; schon die Abbildungen auf den Spintriae aus dem Römischen Reich belegen die Vielfalt der Stellungen und Praktiken. Prostitution folgt den Gesetzen des Marktes; deshalb werden die von zahlenden Kunden verlangten Praktiken, Personen und Präferenzen in Bezug auf Geschlecht, Alter, Aussehen, Tätowierungen, Intimschmuck, Haut- und Haarfarbe, Figur sowie sonstige körperliche Besonderheiten entsprechend angeboten.
Für Sadomasochisten besteht in SM-Studios eine eigene Ausprägung der Prostitution, die auf dem sexuellen Genuss von Strenge und Schmerz beruht. Aktiv Ausübende werden Domina oder Sado genannt, die passiv Duldenden Sklave oder Sklavia. Diese Szene zählt sich gewöhnlich nicht zum herkömmlichen Prostitutionsgewerbe; einige Prostituierte bezeichnen jedoch auch Prostitution im BDSM-Bereich ausdrücklich als solche.
In einigen Ländern Ostasiens gibt es Berichte über das Angebot von sexuellen Handlungen mit Menschenaffen; die Quellenlage ist uneinheitlich und die Praxis ist strafbar sowie aus ethischer Sicht verwerflich.
Sexualassistenz oder Surrogatpartner
Als Sonderform der Prostitution gilt die Surrogatpartnerschaft (auch Sexualassistenz oder Sexualbegleitung genannt), die alte und behinderte Menschen bei der Befriedigung sexueller Bedürfnisse unterstützt. Sexualassistenten vollziehen Handlungen für Menschen, die dazu aufgrund körperlicher Einschränkungen nicht fähig sind; es können dabei auch emotionale Partnerbeziehungen entstehen. Die Finanzierung dieser Dienstleistung obliegt in der Regel den Betroffenen selbst; eine Kostenübernahme durch Krankenkassen ist in Deutschland gesetzlich ausgeschlossen. In Dänemark bestehen mit staatlicher Hilfe erweiterte Möglichkeiten, nach Wunsch Prostituierte für behinderte Menschen zu engagieren.
Sexualassistenten werden in Deutschland durch spezielle Ausbildungsgänge geschult, um auf die besonderen Bedürfnisse behinderter Menschen einzugehen; in anderen Ländern ist die Ausbildung unterschiedlich geregelt oder fehlt.
Zielgruppe
Die Zielgruppe der Prostitution bilden vornehmlich Männer, die je nach Kontext als Freier, allgemeiner oder zunehmend als Kunden, Klienten oder Gäste bezeichnet werden. Für die Bezeichnung von Frauen haben sich entsprechende weibliche Formen eingebürgert (Kundin, Freierin). Gegner der Prostitution sprechen von Ausbeutern.
Wie viele Prostitutionskunden es gibt, ist nicht genau bekannt. Udo Gerheim (Universität Oldenburg) stellte 2012 fest: „Es muss daher konstatiert werden, dass zur Zeit keine verlässlichen und abgesicherten quantitativen Primärdaten über das soziale Feld der Prostitution existieren.“ Die in wissenschaftlichen und journalistischen Werken genannten Größenordnungen von 1,2 Millionen Kunden pro Tag und 400.000 Prostituierten in Deutschland sind Schätzwerte und Hochrechnungen, teils aus den 1980er-Jahren. Hochgerechnet auf die männliche Bevölkerung ergibt dies im Durchschnitt, dass jeder Mann zwischen 20 und 59 einmal monatlich eine Prostituierte aufsucht. Neuere Berechnungen gehen von deutlich weniger Sexarbeitenden aus; eine Studie aus dem Jahr 2023 des Erotikportals Erobella nennt 88.800 Prostituierte in Deutschland, die Organisation Doña Carmen spricht von rund 90.000 Sexarbeitenden.
Ein Grund für die mangelhafte Datenlage ist, dass Prostitution als Thema wenig Reputation genießt und als anstößig gilt. Untersuchungen beschränken sich meist auf juristische, medizinische und sozial-hygienische Aspekte. Gerheim erklärt, warum sich Untersuchungen vornehmlich mit der männlichen Nachfrageseite befassen: „Im Vergleich zur bisherigen administrativen Regulation der Prostitution kann diese staatsfeministisch inspirierte Machttechnologie als entscheidender sozialpolitischer und juristischer Paradigmenwechsel betrachtet werden. Die Rollen in diesem gesellschaftlichen Drama sind in Gestalt des Kunden als männlicher (Gewalt-)Täter und der weiblichen Prostituierten als hilfloses weibliches Opfer unwiderruflich festgelegt.“ Die spärlichen quantitativen Ergebnisse unterliegen hohen Unsicherheiten, bedingt durch unterschiedliche Erhebungsmethoden (telefonisch, online, schriftlich, persönlich), Erhebungspersonal (Mann oder Frau), Auffassungen von Prostitution und die Häufigkeit der Nachfrage (einmalig, gelegentlich, regelmäßig).
Für Deutschland legten Kleiber und Velten 1994 die Ergebnisse einer quantitativ-empirischen Untersuchung vor: Demnach haben 18 % der männlichen Bevölkerung zwischen 15 und 74 Jahren bereits käuflichen Sex nachgefragt. Dänische Daten von 2005 zeigen, dass 60 % der prostitutiv aktiven Männer nur einmaligen bis geringen (bis zu fünf Mal) Kontakt zu Prostituierten hatten.
Männliche Prostitutionskunden stammen aus allen sozialen Schichten und Altersgruppen; die 20–40-Jährigen sind nach Kleiber (2004) mit 72 % überrepräsentiert. Mit 56 % waren Ledige am stärksten vertreten gegenüber 34 % Verheirateten und 10 % Geschiedenen. Früher wurde, etwa im Kinsey-Report, eine Überrepräsentation älterer Männer genannt. Kleiber und Velten befanden, dass überdurchschnittlich viele Kunden zwischen 20 und 40 Jahre alt, ledig oder geschieden sind und über Abitur oder Fachabitur verfügen oder aus akademisch vorgebildeten Kreisen stammen. Drei idealisierte Kundentypen werden genannt: 1. Der Playboy, 2. Der Verlierer, 3. Der Familienvater.
Doris Velten beschrieb in ihrer Dissertation (1997) auf Grundlage von 62 qualitativ-standardisierten Interviews zwei signifikante Alterskohorten beim Erstbesuch von Prostituierten: 47 % der Männer waren bei ihrem Erstbesuch jünger als 20 Jahre, 45 % zwischen 20 und 30 Jahre.
Zum weiblichen Sextourismus in der Karibik weisen Untersuchungen auf eine Überrepräsentanz von Frauen der amerikanischen weißen Mittelschicht hin.
Deutliche Unterschiede hinsichtlich Einkommen und Bildung zeigen sich bei den nachgefragten Prostitutionssegmenten. Die Finanzkraft der Kunden bestimmt oft das nachgefragte Segment: Straßen- und Beschaffungsprostitution werden tendenziell von finanzschwächeren Männern nachgefragt, finanzstärkere Männer orientieren sich eher an Escort- und Hotelprostitution im Hochpreissegment. Geld und Sexualität sind beide Mangelprodukte, die in der Prostitution getauscht werden; das Bezahlen kann zugleich Macht und Ohnmacht bedeuten, markiert Bedürftigkeit des Kunden und verweist auf sein Unvermögen, ohne Geld bei Frauen erfolgreich zu sein.
| Land | %-Anteil | Stichprobe | Jahr |
|---|---|---|---|
| Finnland | 13% | 624 | 1999 |
| Norwegen | 11 % | 1617 | 1992 |
| Schweden | 13 % | 1475 | 1996 |
| Dänemark | 14 % | 6350 | 2005 |
| Großbritannien | 7 % | 7941 | 1991 |
| Niederlande | 14 % | 392 | 1989 |
| Schweiz | 19 % | 1260 | 1992 |
| Spanien | 39 % | 409 | 1992 |
| Russland | 10 % | 870 | 1996 |
| USA | 16 % | 1709 | 1992 |
| Australien | 16 % | k. A. | 2003 |
| Deutschland | 18 % | 524 | 1994 |
Jedermann-Hypothese
Einer Hypothese zufolge gibt es keinen typischen Kunden hinsichtlich sozialer oder kultureller Merkmale. Zwar ist die Jedermann-Hypothese international mehrfach belegt, doch steht sie offenkundig im Widerspruch zum Befund, dass die Mehrheit der Männer keine Prostitutionskunden sind.
„Es kann festgestellt werden, dass auch global betrachtet nur ein kleiner Teil der männlichen Gesamtbevölkerung Prostitution aktiv und regelmäßig nutzt und dass für eine relevante Größe der Männer die Nachfrage nach käuflichem Sex lediglich ein singuläres bzw. marginales Ereignis darstellt.“
Feministische Sichtweisen
Gemäß der feministischen Kritik, besonders der zweiten Frauenbewegung, stellt Prostitution einen existenziellen Angriff auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Frau dar und degradiert sie zu einem Tauschobjekt männlicher sexueller Unterwerfungslust. Entsprechend werden Kunden mit Vergewaltigern gleichgesetzt; diese Gleichsetzung ist in der wissenschaftlichen Diskussion jedoch strittig. Die Radikalfeministin Andrea Dworkin äußerte eine derart grundsätzliche Kritik an männlicher Sexualität, die mit unterstützenden Beiträgen etwa von Alice Schwarzer in der politischen Debatte verbunden wurde. Dworkin ging von der Annahme aus, dass Gewalt ein wesentlicher Bestandteil männlicher Sexualität sei; daraus folgerte sie, dass Prostitution als Form männlicher Gewalt zu deuten und alle Kunden demnach als Täter zu werten seien.
Motivation
Ein weiterer Ansatz charakterisiert die Kunden. Eine schwedische Studie behauptet, dass Männer, die nach Einführung der Kundenbestrafung weiterhin käuflichen Sex nachfragen, eine perverse, krankhafte Sexualität besitzen.
Auf Grundlage ihrer Stichprobe unterscheidet Velten in ihrer biografischen Kundenstudie in Deutschland sechs Kategorien von Kunden:
- Enttäuschter Romantiker: Zumeist älter als 40 Jahre, verheiratet, geschieden oder ledig, in allen Bildungsschichten vertreten; nutzt Prostitution als Ersatz für empfundene Defizite in der Partnerschaft und wünscht sich eigentlich eine feste Partnerin.
- Rationaler Stratege: Im Durchschnitt 39 Jahre alt; erklärt den Prostitutionsbesuch rational durch Defizite, ohne ihn als schädlich für eine private Partnerschaft zu empfinden.
- Liberalisierter Kunde: Über 40, meist geschieden, mit geringerem Bildungsniveau; hat sich von traditionellen Partnerschaftsvorstellungen gelöst und sucht die Überschreitung von Grenzen; kann aus Defizitgefühl zum Erstkontakt gekommen sein.
- Hedonist: Durchschnittlich Mitte 30, ledig; sucht Prostituierte aus Lust an der Prostitution und vereinbart dies mit dem eigenen Selbstbild.
- Zwiespältiger Kunde: Zwischen 20 und 30 Jahre alt; erlebt Prostitutionsbesuche als unkontrollierbare, rauschhafte Dynamik, die er zur Herstellung von Männlichkeit nutzt, bereut den Besuch, fühlt sich abhängig und wiederholt das Verhalten.
- Neugieriger Single: Nicht-traditionelle Beziehungswünsche, viele spontane sexuelle Kontakte; besucht Prostituierte aus Neugier, meist nur wenige Male im Leben; Kunde zu sein passt nicht zum Selbstbild, weil der Kontakt als wenig erotisch empfunden wird.
Eine historische Auswertung finnischer Akten (Polizei, Gerichte, Gesundheits- und Ordnungsbehörden) zur Prostitution im 19. Jahrhundert unterscheidet folgende Kundengruppen:
- Studenten, Soldaten, Seeleute, Arbeiter und Männergruppen
- verheiratete ältere Männer aus Mittel- und Oberschicht
- alleinstehende, obdachlose arme Männer
- Abenteurer auf der Suche nach speziellen sexuellen Erfahrungen
Die soziologische und psychologische Motivforschung zur männlichen Nachfrage nach käuflicher Sexualität jenseits pathologisierender Diskurse ist spärlich und verweist auf unterschiedliche Motivbündel. Neuere Modelle verstehen die Nachfrage weniger als festgelegte Rolle, sondern mehr als sozialen Prozess, der sich in verschiedenen Sinnstrukturen entfaltet.
Historisch wurde männliche Nachfrage mit einer Ventilfunktion verbunden; zugrunde lag die Vorstellung einer männlichen Dampfkesselsexualität, Triebstau und Triebabfuhr. Diese Idee hat Wurzeln in älteren medizinischen Theorien, die männliche Sexualität auf Ejakulation reduzierten und ihr eine vergleichbare Notwendigkeit wie dem Harndrang zuschrieben.
Häufig genannt wird die Annahme, Männer bräuchten wegen eines stärkeren Sexualtriebs eine Triebabfuhr; zusammen mit historischen Verboten der Masturbation diente dies der Gefahrenabwehr als Begründung für männliche Prostitutionsnachfrage.
„Die Hure schützt die bürgerliche Gesellschaft vor Unzucht, Vergewaltigung, Verführung, Betrug, Ehebruch, Selbstbefleckung (Piraten, Mordbrenner, Seeräubervolk). Nur durch die Schamlosigkeit der Huren ist die Keuschheit der Frauen und Jungfrauen möglich.“
– Doris Velten: Aspekte der sexuellen Sozialisation. Berlin, 1994.
Motivation
Für die männliche Sexualität wird häufig eine besondere Objektbezogenheit angenommen. Sigmund Freud beschrieb dies: „Wo sie lieben, begehren sie nicht, und wo sie begehren, können sie nicht lieben.“ Männer benötigten demnach Objekte, die sie nicht lieben müssen, um Sinnlichkeit von geliebten Personen fernzuhalten. Vor diesem Hintergrund wird die Reduktion der Frau zum Sexualobjekt gedeutet. Prostitution erhält ferner eine Kompensations- und Surrogatfunktion gegenüber der bürgerlichen Ehe zur Regulation des männlichen Triebhaushaltes; sie ermögliche Männern, ihre stets anwesende Sexualenergie ohne emotionale Bindungserwartungen und ohne soziale Konsequenzen wie Heirat oder Verlobung auszuleben. Die männliche Nachfrage nach käuflichem Sex erscheine so als Ausdruck einer bürgerlichen Doppelmoral und des patriarchalen Mythos, wonach männliche Über- und weibliche Unterordnung dem Mann erotischen Lustgewinn bringe.
Im Widerspruch zur angenommenen Objektfixierung des männlichen Begehrens stehen Befunde, wonach das Lustempfinden der Prostituierten selbst ein zentrales Nachfragemerkmal der Kunden ist; die glaubwürdige Inszenierung weiblicher Lust und Begehrens gilt demnach als wichtiges Qualitätsmerkmal der nachgefragten käuflichen Sexualität.
Sabine Grenz benennt (2005) anhand narrativer Interviews drei zentrale Diskursmuster zur männlichen Nachfrage: 1. Heteronormative Reproduktion von Männlichkeit durch Ausschluss von Homosexualität, 2. triebdynamische Selbstkonzepte und 3. das Fortbestehen sexueller Doppelmoral als männliche Machtstrategie. Der am häufigsten genannte Grund, Prostituierte aufzusuchen, ist für alleinstehende Männer der leichte, garantierte Zugang zu Sex; für Männer in Partnerschaften ist es die Suche nach Abwechslung oder nach sexuellen Praktiken, die die Ehefrau nicht teilen möchte.
Doris Velten fasst: „Prostitutionskontakte dienen nahezu immer der Minimierung sexueller Unzufriedenheiten.“ (Aspekte der sexuellen Sozialisation, Berlin 1994.)
Udo Gerheim (2012) beschreibt in einer feld‑habitus‑dynamischen Untersuchung vier generalisierte Motivstrukturen:
- Sexuelle Motiv‑Dimension: Die wichtigste Dimension; zielt auf unmittelbar körperlich‑sexuelle Handlungen und auf körperliche-erotische Wünsche nach Zärtlichkeit und Körperkontakt.
- Soziale Motiv‑Dimension: Zweigeteilt; einerseits kommunikativ‑emotionale Bedürfnisbefriedigung, andererseits destruktive Muster wie Macht, Gewalt und Dominanz.
- Psychische Motiv‑Dimension: Zielt auf psychodynamische Bedürfnisstrukturen ab, etwa zur Ausagierung von Scham‑ und Schuldgefühlen, narzisstischen Kränkungen, Selbstwertkrisen oder Depressionen.
- Erotisierung der Subkultur: Libidinöse Besetzung des Prostitutionsumfeldes als Subkultur und die damit verbundene Anziehungskraft zur Generierung und Befriedigung sexueller Fantasien.
Gerheim unterscheidet zudem Einstiegsmotive und Motive kontinuierlicher Nachfragepraxis:
- Einstiegsmotive: Neugier sowie nicht willentliche oder situationsbedingte Prozesse, ausgelöst durch zufällige Reize und verstärkt durch Alkoholkonsum, akute psychische Probleme oder Gruppendynamik; ferner habituelle Krisen wie fehlende Sexualerfahrung, kommunikative Probleme mit Frauen, subjektives Empfinden von Unattraktivität, Verlust der Partnerin oder der Wunsch nach privat unrealisierbaren sexuellen Praktiken.
- Kontinuierliche Nachfrage: Eine anhaltende Kompensationsstrategie bei fortbestehender habitueller Krise, vornehmlich als Ausgleich für Probleme in der privaten oder partnerschaftlichen Sexualität; empirisch zeigen sich Motive wie der jederzeit mögliche, garantierte und unkomplizierte Zugriff auf erwünschte Sexualität, die Ich‑Zentrierung der Interaktion, die raum‑zeitliche Begrenztheit der Begegnung, die Befreiung von Verantwortung sowie die Möglichkeit, privat unrealisierbare Settings zu realisieren.
Diese Generalisierungen stehen teils im Widerspruch zu Befunden, wonach sich die tatsächlich nachgefragten Sexualpraktiken kaum von partnerschaftlichen Praktiken unterscheiden; viele Kunden äußern eher Bedürfnisse nach Zärtlichkeit, Nähe, Streicheln, Kuscheln, Unterhaltung und längerer Zuwendung.
Stellungnahmen und Selbstzeugnisse von Kunden
In der Debatte um die Kundenbestrafung erschienen in Frankreich das Manifest „Hände weg von meiner Hure“ und in Deutschland der „Offene Brief an Alice Schwarzer“ der sogenannten „Freieroffensive“. In mehreren Dokumentarfilmen werden Kunden als Interviewpartner befragt.
Rahmenbedingungen
Unfreiwillige Prostitution und Zwangsprostitution
Die Gründe, aus denen Menschen zur Ausübung sexueller Dienste gezwungen werden, sind vielfältig und oft vielschichtig; die Abgrenzung zwischen Zwang und freiwilliger Berufswahl ist häufig schwierig. In wirtschaftlich schwachen Ländern ergreifen viele diese Tätigkeit, weil sie sonst keine Möglichkeit sehen, den täglichen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Zuhälterei
Zuhälter üben mitunter Zwang auf die für sie tätigen Prostituierten aus, sei es zur Prostitution selbst oder zur Abführung erheblicher Einnahmanteile. Prostituierte können unter der Kontrolle männlicher oder weiblicher Zuhälter stehen; es ist nicht selten, dass Zuhälter Gewalt, psychische Manipulation oder suchterzeugende Drogen einsetzen, um Abhängigkeit zu erzeugen. In solchen Fällen fließt der Verdienst ganz oder weitgehend an die Zuhälter, Schutzleistungen werden allenfalls als Gegenleistung erbracht.
Zuhälterei kann jedoch auch zu höheren Einnahmen für Prostituierte führen. Empirische Untersuchungen, etwa an Prostituierten in Chicago, zeigen, dass Zuhälter zahlungskräftigere Kunden rekrutieren können als Einzelprostituierte; zugleich können Prostituierte durch Zuhälter besseren Schutz vor Gewalt durch Kunden erfahren.
Menschenhandel
Insbesondere besteht ein Bereich grenzüberschreitenden Menschenhandels, bei dem Menschen aus wirtschaftlich schwachen Ländern oder armen ländlichen Gebieten unter Vorspiegelung legaler Arbeitsmöglichkeiten gelockt oder verschleppt werden. Vor Ort werden sie durch körperliche und seelische Gewalt sowie Freiheitsberaubung in persönliche und finanzielle Abhängigkeit gebracht und zur Prostitution gezwungen.
Prostitution Minderjähriger und Kinderprostitution
Kinderprostitution ist bereits aus dem Altertum belegt; so begrüßte der römische Dichter Martial in einem Epigramm ein Gesetz Kaiser Domitians gegen die Prostitution Minderjähriger.
UN-Schätzungen zur internationalen Kinderprostitution variieren; UNICEF nennt etwa vier Millionen betroffen, UNESCO schätzt zwei Millionen.
Nach deutschem Strafrecht greifen bei sexuellen Handlungen mit Personen unter 14 Jahren die §§ 176 und 176a StGB (sexueller Missbrauch von Kindern). In einigen Ländern, darunter Deutschland und die Niederlande, werden Fälle von Rekrutierung Minderjähriger durch sogenannte Loverboys beobachtet.
Gewalt
Da Prostitution häufig im Verborgenen stattfindet, gelten Prostituierte vielfach als besonders gefährdet für psychische und physische Gewalt. Serienmörder haben wiederholt Prostituierte als Opfer gewählt, etwa Jack the Ripper oder Robert Pickton. In einer 2004 im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erhobenen Studie berichteten 92 % der befragten Prostituierten von erlebter körperlicher Gewalt in ihrem Umfeld; 70 % gaben an, mindestens einmal sexuelle Gewalt erlitten zu haben. Diese Werte liegen vielfach über denen repräsentativer Studien zur Gesamtbevölkerung. Das Risiko körperlicher Gewalt durch Zuhälter, Freier oder Bordellbetreiber ist bei Frauen und Mädchen, die jung in die Prostitution gerieten, besonders hoch.
Interessenvertretungen riefen den 17. Dezember zum „Internationalen Tag gegen Gewalt an Sexarbeiter“ (International Day to End Violence Against Sex Workers) aus.
Beschaffungsprostitution
Drogenabhängigkeit kann Grund für den Einstieg in die Prostitution sein; die Prostitution dient dann der Finanzierung des Drogenkonsums. Man bezeichnet dies als Beschaffungsprostitution. Häufig wird beobachtet, dass Sucht der Prostitution vorausgeht; in den USA führte Crack zu einem Anstieg der Beschaffungsprostitution. Umgekehrt kann Drogengebrauch die Prostitutionstätigkeit erträglicher machen oder Teil der Sexarbeit selbst sein. Für Deutschland wird angenommen, dass ein hoher Anteil weiblicher Drogenabhängiger ihren Konsum durch Prostitution finanziert, weshalb ein „Drogenstrich“ oft in der Nähe der Drogenszene liegt. Beschaffungsprostitution geht mit einem erhöhten Risiko für Infektionen durch Geschlechtskrankheiten einher; der Gesundheitszustand der Betroffenen ist oft überdurchschnittlich schlecht, hinzu kommen Stigmatisierungen, auch durch nicht-abhängige Prostituierte.
Gesundheitliche und sozialhygienische Aspekte
Schlechte Arbeitsbedingungen sowie fehlende gesellschaftliche Akzeptanz und damit verbundene Rechtlosigkeit gelten als Ursachen für körperliches und psychisches Ausbrennen (Burnout), unter dem viele Prostituierte leiden. Eine Studie von 2005 ergab, dass 41 % der Straßenprostituierten Gewalt erlebten. Täter sind mitunter auch eigene Beziehungspartner; berichtet wurden Knochenbrüche, Verstauchungen, Gesichtsverletzungen bis hin zu Brandwunden.
In einer Lübecker Studie (n = 110) aus dem Jahr 2007 wurde bei einem Viertel der untersuchten Straßenprostituierten eine behandlungsbedürftige sexuell übertragbare Krankheit diagnostiziert. Fast die Hälfte war von einer akuten Infektion betroffen oder hatte eine solche durchstanden. Syphilis und Hepatitis B traten signifikant häufiger auf als in einer nicht prostituierten Kontrollgruppe. Nicht signifikant erhöht waren Chlamydieninfektionen, Aminkolpitis, Candidainfektionen und HIV. Die Verbreitung von Hepatitis C betrug bei Prostituierten 4,5 % gegenüber 0 % in der Kontrollgruppe.
Sexuell übertragbare Krankheiten können langwierig bestehen und erhebliche Folgeschäden sowie Folgekosten nach sich ziehen, die sich durch ungeschützten Verkehr, die Zahl der Kunden und deren weitere Partner potenzieren. Angesichts der seit 2001 in Deutschland vorgeschriebenen Freiwilligkeit medizinischer Untersuchungen empfiehlt die Studie ein vermehrtes Zugehen auf Prostituierte und den Aufbau langfristiger Vertrauensverhältnisse.
Eine Untersuchung des Robert Koch-Instituts (n = 1.425) von 2010/11 in mehreren Gesundheitsämtern kommt zu dem Schluss, dass die Raten sexuell übertragbarer Krankheiten bei den untersuchten Prostituierten teils stark variierten, insgesamt jedoch nicht wesentlich höher schienen als in der Allgemeinbevölkerung. Hohe Infektionsquoten fanden sich bei Personen, die erst kurz der Prostitution nachgehen, unter 20 Jahre alt sind, Drogen nehmen, über keine Deutschkenntnisse verfügen, nicht alphabetisiert sind, keine Krankenversicherung haben oder auf Nachfrage Sex ohne Kondom praktizieren. Die Studie sieht dringenden Bedarf an präventiven Maßnahmen, auch an aufsuchenden Beratungs- und Untersuchungsangeboten durch Streetworker, und konstatiert, dass präventives Verhalten schwerfällt, solange die Betroffenen keine realistischen Perspektiven für ihre Zukunft sehen und medizinische Hilfe nur bei akuten Beschwerden in Anspruch nehmen. Frauen, die zur Prostitution gezwungen werden, können sich oft nicht vor sexuell übertragbaren Erkrankungen oder ungewollten Schwangerschaften schützen. Die berichtete HIV-Quote lag bei 0,2 %; in den Niederlanden wurde ein Wert von 2 % genannt.
Norbert H. Brockmeyer, Präsident der Deutschen STI-Gesellschaft (DSTIG), warnte im Dezember 2013 vor Restriktionen für weibliche Prostituierte und vor Strafverfolgung von Kunden: Staaten, die versucht hätten, die HIV-Epidemiologie mittels Zwangsmaßnahmen einzudämmen, hätten dramatische Zuwächse an Infektionen erlebt; ähnliche Effekte seien auch bei größerer Stigmatisierung hierzulande zu befürchten.
Ausstieg
Die Bedingungen für einen Ausstieg sind für Prostituierte allgemein schwierig, etwa wegen Problemen bei Bewerbungen oder milieubedingter sozialer und finanzieller Abhängigkeit; auch die Rückkehr ins Heimatland kann erschwert sein. Für viele bedeutet der Ausstieg nicht nur ein finanzielles Risiko.
In Deutschland obliegt die Verantwortung für Ausstiegsförderung überwiegend den Bundesländern; ein Großteil der Hilfe wird von Nichtregierungsorganisationen geleistet. Ein Beispiel war das Esslinger Modell (ab 1980er-Jahren), das durch Zahlung des doppelten Sozialhilfesatzes und Ausbildungsangebote den Ausstieg unterstützen sollte; infolge der Hartz-IV-Reformen 2005 musste das Projekt eingestellt werden. In Berlin sorgte 2009 ein Fall für Aufmerksamkeit, bei dem eine aus psychischen Gründen aussteigswillige Prostituierte von einem Jobcenter mit Leistungskürzungen bedroht wurde, falls sie die Prostitution nicht weiter im Nebengewerbe ausübe.
Gesellschaftliche und politische Akzeptanz
Gesellschaftliche Bewertungen
Prostitution wird häufig als „unmoralisch“, „unsittlich“ und „gesellschaftsverderbend“ betrachtet. Teile der Bevölkerung sehen Prostituierte als „minderwertig“ an und schreiben ihnen automatisch negative Eigenschaften wie Amoralität oder Würdelosigkeit zu. Sie nehmen einen Randgruppenstatus ein, da sie nicht den von der Mehrheit vertretenen Normalitätsvorstellungen entsprechen. Häufig war die öffentliche Bewertung von einer Doppelmoral geprägt: die nachfragenden Männer wurden unabhängig von ihrem Handeln sozial anerkannt, während Prostituierte als schutzbedürftige und zugleich stigmatisierte Gruppe galten. Ende des 19. Jahrhunderts übten die Suffragetten starke Kritik an dieser Doppelmoral.
Im NS-Staat galten Prostituierte als „asozial“. In der nationalsozialistischen Propaganda verbreitete sich die Vorstellung, diese Diskriminierung entspreche einem „gesunden Volksempfinden“.
Bis in die 1960er-Jahre hinein galten Frauen als verachtungswürdig, sobald sie von der Gesellschaft als „gefallene Frau“ betrachtet wurden.
In vielen Ländern ist Prostitution verboten (siehe Prostitution nach Ländern).
Die Bekämpfung der Prostitution wurde und wird mit der Sorge um den sittlichen Zustand der Gesellschaft begründet sowie mit der Durchsetzung bestimmter Wert- und Moralvorstellungen (z. B. Arbeits- und Ausbildungsverbot für Frauen, Abtreibungsrestriktionen, Strafbarkeit homosexueller Handlungen). Zudem wurden Prostituierte öffentlich stigmatisiert: im Mittelalter mussten sie besondere Schleier und Bänder tragen. Noch in späteren Jahrhunderten wurden Personen, die im Verdacht der Prostitution standen, in Akten als „sexuell auffällig“ oder „abnorm“ geführt; im Nationalsozialismus erfolgte eine systematische Erfassung, und in Konzentrationslagern trugen sie als Asoziale einen schwarzen Winkel.
Eine Infratest-dimap-Umfrage in Deutschland (1999) ergab, dass über 70 % der Befragten im Alter von 18 bis 59 Jahren Prostitution als anerkannten Beruf mit Steuer- und Sozialversicherungspflicht ansehen wollten; 66 % der Männer und 69 % der Frauen bejahten dies. Methodische Kritik richtete sich jedoch gegen die Fragestellung, da nach „Pflichten“ und nicht nach „Rechten“ für Prostituierte gefragt wurde.
Bis 2002 wurde die bis dahin vielfach als sittenwidrig geltende Prostitution legalisiert; dies führte zur Steuerpflicht, nicht jedoch allgemein zur Sozialversicherungspflicht, da Prostitution überwiegend als selbständige Tätigkeit ausgeübt wurde.
2013 löste der von Alice Schwarzer initiierte Appell gegen Prostitution mit über 10.000 Unterzeichnern eine breite gesellschaftliche Debatte aus. Gefordert wurden unter anderem besserer Schutz für von Menschenhandel und Prostitution Betroffene sowie „Ächtung und, wenn nötig, auch Bestrafung der Freier; also der Frauenkäufer, ohne die dieser Menschenmarkt nicht existieren würde.“ Als Gegenreaktion initiierte der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen einen Appell für Prostitution, der prominente Unterstützer und über 1.400 Unterzeichner fand.
Die Debatte machte das 1999 in Schweden eingeführte sogenannte Nordische Modell bekannt: Prostitution Betroffene werden als Opfer sexueller Gewalt verstanden und sollen durch präventive Maßnahmen und Ausstiegshilfen erreicht werden, während die Profiteure kriminalisiert werden. Neu ist hierbei, dass auch die nachfragenden Kunden als Profiteure kriminalisiert und als „sexuelle Ausbeuter“ stigmatisiert werden.
Eine Emnid-Umfrage Anfang 2014 zeigte weiter eine Mehrheit gegen ein vollständiges Verbot von Prostitution in Deutschland; 18 % sprachen sich für eine Bestrafung der Freier nach schwedischem Vorbild aus, 10 % befürworteten ein traditionelles Komplettverbot; ein ungewöhnlich hoher Anteil war unentschlossen.
2017 wurde das Prostituiertenschutzgesetz eingeführt, das die Betroffenen besser schützen soll. Eine einseitige, asymmetrische Bestrafung der Nachfrageseite wurde dabei nur bei Verletzung der Kondompflicht vorgesehen.
Rechtslage
Grundlagen
Aus rechtlicher Sicht lassen sich vier Modelle zur Regulierung der Prostitution unterscheiden:
- Prohibitionsprinzip: Alle mit Prostitution in Verbindung stehenden Handlungen und Personen werden unter Strafe gestellt. Einen Sonderfall bildet das Nordische Modell (erstmals 1998 in Schweden): asymmetrische Kriminalisierung, bei der nur der Nachfrager bestraft wird, nicht die Anbieterin.
- Abolitionsprinzip: Langfristige Abschaffung der Prostitution bei gleichzeitigem staatlichen Dulden; verboten bleibt die Erzielung von Einnahmen aus der Prostitution anderer (z. B. Zuhälterei), teils auch das Betreiben von Bordellen (neuer Abolitionismus).
- Regulationsprinzip: Prostitution ist legal, aber staatlich reglementiert, etwa durch Sperrbezirke, Registrierungspflichten oder obligatorische medizinische Untersuchungen; Beispiele sind Niederlande und Deutschland.
- Entkriminalisierungsprinzip: Prostitution wird als Erwerbsarbeit angesehen und entkriminalisiert; in Reinform praktisch nirgends umgesetzt.
Prostitutionsgesetz (2002)
In Deutschland ist Prostitution Erwachsener, die dieser freiwillig nachgehen, seit dem 1. Januar 2002 durch das Prostitutionsgesetz (ProstG) legalisiert. § 1 Satz 1 ProstG erkennt erstmals einen Entgeltanspruch der Prostituierten an, der nach erbrachter Leistung entsteht; das Verfügungsgeschäft über dieses Entgelt ist wirksam, während ein Erfüllungsanspruch für die Leistung selbst wegen jederzeit widerruflicher Einwilligung nicht besteht. Vorbehalte zur Sittenwidrigkeit bestehen primär zum Jugendschutz.
Prostituiertenschutzgesetz (2017)
Am 1. Juli 2017 trat das Prostituiertenschutzgesetz in Kraft und verschärfte die Regulierung. Wesentliche Neuregelungen umfassen:
- Anmeldepflicht für Prostituierte und Ausweispflicht mittels Anmeldebescheinigung während der Ausübung der Tätigkeit
- Verpflichtendes Informations- und Beratungsgespräch sowie regelmäßige Gesundheitsberatung
- Zuverlässigkeitsprüfung und Pflichten für Bordellbetreiber; Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten
- Gesetzliche Kondompflicht; bei Nichteinhaltung begeht der Kunde eine Ordnungswidrigkeit mit Bußgeld bis zu 50.000 €
Lokale Regelungen
Prostitution unterliegt örtlichen Sittenverordnungen. Manche Städte legten Sperrbezirke fest, so dass Prostituierte nur an Orten ohne Wohngebiete, Schulen, Krankenhäuser, Kirchen oder ähnliche Einrichtungen arbeiten dürfen. Dies führte oft zur Ausbildung eines Rotlichtmilieus oder ganzer Rotlichtviertel, etwa Hamburg-St. Pauli (Reeperbahn) oder das Bahnhofsviertel in Frankfurt am Main.
Regelungen aufgrund der Corona-Pandemie in Deutschland
Während der Corona-Pandemie wurde die Ausübung von Prostitution aus Infektionsschutzgründen vorübergehend untersagt, was zu einer Zunahme illegaler Prostitution führte.
Diskussion um die Legalisierung
Kritiker verweisen auf finanzielle und sexuelle Ausbeutung bis hin zur Zwangsprostitution sowie auf die Gefahr der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten; die Käuflichkeit sexueller Dienstleistung könne den Menschen zum käuflichen Objekt degradieren und die Menschenwürde verletzen. Gloria Steinem warnte, Legalisierung könne den Staat dazu veranlassen, Frauen zur Prostitution zu treiben; Erfahrungen aus Nevada wurden kontrovers diskutiert.
Befürworter des Entkriminalisierungsprinzips streben an, Prostitution als normalen Beruf anzuerkennen. Julia Ortner argumentierte 2004, Verbote verschlechterten oft die Bedingungen der Frauen, besonders wenn nur Prostituierte, nicht aber Freier bestraft würden. Anhänger des Regulationsprinzips sehen in behördlicher Registrierung und regelmäßigen Untersuchungen ein Mittel zur Bekämpfung von AIDS und anderen STI.
In Deutschland wurde 2014 die Diskussion um eine Anhebung der Altersgrenze auf 21 Jahre geführt; umstritten war, ob dies vor Zwangsprostitution schütze oder 18- bis 21-Jährige in die Illegalität dränge.
Verbände, Selbsthilfegruppen und Fachberatungsstellen
Die im 20. Jahrhundert sichtbare Hurenbewegung ist dezentral organisiert; zahlreiche Verbände, Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen vertreten unterschiedliche Positionen und bieten Hilfen an.
Deutschland
Es gibt zahlreiche Hilfsorganisationen, die sich für die Verbesserung der Lebenssituation in der Prostitution einsetzen.
Die Gewerkschaft ver.di versucht mit einem Arbeitskreis Prostitution (Fachbereich 13 Besondere Dienstleistungen), die Interessen von Prostituierten zu vertreten. Der Schwerpunkt liegt auf arbeitsrechtlicher Absicherung, unter anderem mit einem Muster-Arbeitsvertrag. 2002 gründete sich für selbstständige Prostituierte und Betreiber bordellartiger Betriebe der Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen (BSD). Seit 2007 besteht der Arbeitgeberverband Unternehmerverband Erotik Gewerbe Deutschland. Die Mitglieder unterstützen sich im Umgang mit Behörden und informieren die Öffentlichkeit über den Wirtschaftszweig. Seit Oktober 2013 gibt es den Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD), gegründet von Prostituierten zur Verbesserung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen. Der Organisationsgrad ist derzeit sowohl auf Arbeits- als auch auf Kapitalseite noch gering.
Das Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiter (bufas) setzt sich für die dauerhafte Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Prostituierten, deren rechtliche und soziale Gleichstellung sowie die Entkriminalisierung der Prostitution ein. Die älteste deutsche Selbsthilfeorganisation für Sexarbeiter, Hydra, besteht in Berlin seit 1980. 2023 waren 35 Fachberatungsstellen Mitglied im bufas; sie arbeiten in freier oder kirchlicher Trägerschaft und finanzieren sich aus öffentlichen Mitteln und Spenden. Alle zwei Jahre veranstaltete bufas eine Jahresfachtagung; 2014 wurde diese gemeinsam mit dem BesD als „Sexarbeitskongress“ ausgerichtet, 2016 fand der bislang letzte Kongress statt, 2018 wurde der Termin abgesagt. Der BesD startete 2019 mit dem Hurenkongress ein Nachfolgeformat; 2021 fiel die Veranstaltung coronabedingt aus.
Das Bundesfamilienministerium förderte für den Zeitraum 2009–2014 drei Modellprojekte zum beruflichen Umstieg von Prostituierten: Diwa (Berlin), OPERA (Nürnberg) und P.I.N.K. (Freiburg). Ähnliche kommunale Projekte, etwa beim Verein Madonna in Bochum, wurden zeitweise finanziert.
Der 1993 gegründete Arbeitskreis der deutschsprachigen Stricherprojekte (AKSD) vereinigt acht Einrichtungen in Deutschland und setzt sich für die gesellschaftliche und psychosoziale Verbesserung der Lage männlicher Prostituierter ein. Schwerpunkte sind gesundheitsfördernde Maßnahmen (einschließlich STI-Prävention), sozialpädagogische Versorgung, Anlauf- und Beratungsstellen sowie die Online- und Chatberatung Info4Escorts für Escorts, Callboys und Taschengeldjungs. Gesundheitsämter bieten seit 2001 kostenlose Testung und Beratung zu sexuell übertragbaren Krankheiten an.
In Frankfurt am Main wirkt die 1998 gegründete Selbsthilfeorganisation Doña Carmen, die unabhängig von staatlicher Finanzierung besonders die Rechte migrantischer Prostituierter vertritt. Sie bietet Bordellführungen für Frauen an, gibt die Zeitung „La Muchacha“ heraus und organisiert die Frankfurter Prostitutionstage.
Seit 1987 besteht der Bundesweite Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e. V., ein Zusammenschluss von Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel, darunter Opfer sexueller Ausbeutung, Arbeitsausbeutung und Zwangsheirat; der Kreis vereint 36 Mitgliedsorganisationen.
Internationale Organisationen
Solwodi wurde 1985 von der katholischen Schwester Lea Ackermann in Kenia gegründet und ist seit 1987 in Deutschland aktiv. Der Verein betreibt in Deutschland 19 Beratungsstellen, ist international in sechs Ländern tätig und gilt als die größte Organisation dieser Art.
International sind Beratungsstellen und Interessenvertretungen im 1991 gegründeten Network of Sex Work Projects (NSWP) organisiert. Ein Vorläufer des NSWP war das International Committee for Prostitutes' Rights (ICPR), das 1985 in Amsterdam die World Charter for Prostitutes' Rights veröffentlichte. Ein Zusammenschluss europäischer Hurenorganisationen besteht seit 2004 als International Committee on the Rights of Sex Workers in Europe (ICRSE).
Filme über Prostitution
Siehe auch
- Prostitution nach Ländern
- Gastprostitution
- Militärprostitution
- Beschaffungsprostitution
- Zuhälterei
- Zwangsprostitution
- Begleitagentur
- Enjokōsai
- Gelegenheitsprostitution
- Gisaeng
- JK Business
- Mutʿa-Ehe
- Prostitution Minderjähriger
- Öffentliche Prostitution
- Trostfrauen
- Kastenbasierte Prostitution
- Nordisches Modell für Prostitution