Prostitution in Österreich


Die Prostitution in Österreich ist legal und gesetzlich geregelt.

Geschichte


Bis 18. Jahrhundert


Kaiserin Maria Theresia liess in den Temeswarer Wasserschüben Prostituierte gemeinsam mit anderen „Asozialen“ auf Schiffen die Donau hinunter in den Banat deportieren.

Auch das Josephinische Strafgesetz stellte Prostitution unter Strafe.

19. Jahrhundert


Im 19. Jahrhundert setzte sich in Österreich beim Umgang mit der Prostitution im Wesentlichen das Regulationsprinzip durch, das Prostitution als notwendiges Übel toleriert und unter staatliche Kontrolle stellt. In Wien wurde bereits 1850 vom Polizeiwundarzt Nusser vorgeschlagen, Prostituierte polizeilich zu „konskribieren“, sie zweimal wöchentlich zu untersuchen und mit Gesundheitspässen auszustatten. Gesundheitsbücher werden seit der Neuregelung der Prostitution durch Wiens Polizeichef Anton Ritter von Le Monnier 1873 verpflichtend geführt. Prostituierte, die dieser Bestimmung nachkamen, wurden von der Polizei nicht beanstandet. Laut „Extra Blatt“ vom 27. Oktober 1874 „sind 6424 Prostituierte mit Gesundheitsbüchern versehen und stehen unter ärztlicher und polizeilicher Kontrolle. Nach der Ansicht der Polizei leben jedoch in Wien ausser den oberwähnten 6424 noch mindestens 12.000 Frauenzimmer von dem Erträgniss der freien Liebe, können jedoch nicht kontrolliert werden. Diese Mädchen arbeiten zumeist in Fabriken und werden durch den geringen Arbeitslohn zu diesem Nebenverdienst getrieben. Von den conscribierten Dirnen sind 5312 ledig, 902 verwitwet und 210 verheiratet. Die jüngste derselben ist 15 Jahre, die älteste 47 Jahre alt.“

Der Durchsetzung der Regulierung dienten im Teil 2 des Strafgesetzes 1803 die §§ 254–256, die zu §§ 509–511 Strafgesetz 1852 umnummeriert wurden; sie wurden durch die §§ 5 und 7 des Gesetzes vom 24. Mai 1885 abgelöst.

20. Jahrhundert


Eine Studie eines Wiener Marktforschungsinstituts ergab in den 1960er Jahren, dass jeder zweite erwachsene männliche Österreicher mindestens ein Mal in seinem Leben die Dienste einer Prostituierten in Anspruch nahm.

Durch Artikel XI Absatz 2 Nr. 8 des Strafrechtsanpassungsgesetzes trat zum 1. Jänner 1975 das oben genannte Gesetz von 1885 ausser Kraft.

Nach der Aufhebung des Totalverbots gleichgeschlechtlicher Sexualkontakte im Jahr 1971 wurde 1989 das Verbot gleichgeschlechtlicher männlicher Prostitution (§ 210 StGB) aufgehoben, als erstes der vier darauf folgenden Ersatzverbote (siehe Homosexualität in Österreich). Ein wesentlicher Grund für die Legalisierung der homosexuellen männlichen Prostitution war, dass durch die regelmässigen Untersuchungen und die behördliche Registrierung die Bekämpfung von HIV-Infektionen erleichtert wird.

Das 1991 novellierte Wiener Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 1983 definiert Prostitution als die gewerbsmässige „Duldung sexueller Handlungen am eigenen Körper oder die Vornahme sexueller Handlungen“. Man kann in Wien legal als Prostituierte arbeiten, wenn man volljährig ist, sich bei der Landespolizeidirektion Wien meldet, nach einer ärztlichen Untersuchung im Gesundheitsamt einen Lichtbildausweis erhalten hat (die Kontrollkarte, „Deckel“, „die grüne Karte“) und sich wöchentlich beim Gesundheitsamt in der Schnirchgasse 14, 1030 Wien untersuchen lässt.

Seit 1986 sind Prostituierte einkommensteuerpflichtig.

Laut einer Entscheidung des OGH aus dem Jahr 1989 galt Prostitution als „sittenwidriger Vertrag“; daher hatten Prostituierte keine rechtliche Möglichkeit, ihr Entgelt einzufordern, wenn der Kunde nicht zahlen wollte. Im Jahr 2012 entschied der OGH anders. Der Hof begründete, dass die Sittenwidrigkeit weder nach heutigen Moralvorstellungen noch mit der „Wirklichkeit“ in Einklang zu bringen sei und die Prostitution durch einschlägige Landesgesetze geregelt sei. Insbesondere eröffnet dies Prostituierten die Möglichkeit, ihr Entgelt einzuklagen.

Bis zur Ostöffnung bestand in beiderseitigem Interesse ein guter Kontakt zwischen der Polizei und der Prostitutionsszene. Die Polizei liess die Zuhälter ihre Reviere in Ruhe selbst regeln und erhielt dafür im Gegenzug Informationen aus der Verbrecherszene. Der Fall des Eisernen Vorhangs änderte allerdings die Situation und bewirkte einen Zustrom von jungen Frauen aus dem ehemaligen Ostblock nach Österreich, die bereit waren, für weniger Geld als die Österreicherinnen als Prostituierte zu arbeiten. Zusätzlich versuchten Mafiabanden aus dem Süden und Osten Europas, auf den Strichen Österreichs Fuss zu fassen. In der Folge ging insbesondere in den 1990er Jahren die Zahl der legalen Prostituierten vorübergehend stark zurück, während die Zahl der illegalen stieg.

Um 1997 gehörten registrierte Prostituierte laut Gesundheitsbericht der Stadt Wien zur „gesündesten“ Personengruppe.

Nach dem Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz (ASRÄG) 1997 sind Prostituierte in die Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG sowie in die Unfallversicherung nach dem ASVG einbezogen worden.

21. Jahrhundert


Um das Jahr 2002 wurde die illegale Prostitution vom österreichischen Innenministerium vor allem wegen der Begleitkriminalität wie Menschenhandel, Zuhälterei und Gewaltdelikten wie Vergewaltigung als Problem gesehen. Die illegale Prostitution war darüber hinaus ein gesundheitspolitisches Problem. Bei einem Viertel der festgenommenen Geheimprostituierten in Wien haben die Gesundheitsbehörden im Jahr 2002 Mehrfachinfektionen durch Geschlechtskrankheiten festgestellt. Wiener Politiker überlegten sich 2002 Massnahmen, um den illegalen Strassenstrich einzudämmen, vielleicht mit Geldstrafen auch für Freier von illegalen Prostituierten. Die Frauenstadträtin Renate Brauner meinte, solche Strafgelder sollten Ausstiegsprojekten gewidmet werden.

Anfang des 21. Jahrhunderts wurde von Die Grünen, SPÖ und auch ÖVP darüber diskutiert, ob die „Sittenwidrigkeit“ der Prostitution aufzuheben und eine rechtliche Lösung ähnlich wie in Deutschland einzuführen sei.

2012 wurde die Sittenwidrigkeit schliesslich durch den OGH aufgehoben.

Am 2. Juni 2002, dem Internationalen Hurentag, wiesen der Verein Lateinamerikanische Emigrantinnen in Österreich (LEFÖ), die Wiener Grünen und die Plattform für Prostituierte auf die schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen der Prostituierten in Österreich hin, und forderten die arbeits- und sozialrechtliche Anerkennung von Sexarbeit und die Beseitigung „diskriminierender aufenthalts- und arbeitsrechtlicher Bestimmungen“.

2003 waren rund 460 Frauen und 14 Männer in Wien offiziell als Prostituierte registriert. Die jüngste war 19 Jahre alt; die älteste, eine 71-jährige Österreicherin, arbeitete in der Leopoldstadt. Die meisten registrierten Männer boten als Transvestiten ihre Dienste an. Geschätzt wurde, dass in diesem Jahr 3500 Frauen in Wien legal oder illegal zumindest fallweise als Prostituierte arbeiteten. Ab etwa 2003 begann die Zahl der legalen Prostituierten wieder zu wachsen und stabilisierte sich zehn Jahre später bei ca. 3000 bis 3500. Affären wie die Sauna-Affäre zeugen von neuen Kontakten zwischen der Polizei und der Prostitutionsszene.

Rechtslage


Strafbar ist sexueller Missbrauch von Jugendlichen (§ 207b StGB), entgeltliche Vermittlung von Sexualkontakten mit Minderjährigen (§ 214), Zuführen zur Prostitution (§ 215), Förderung der Prostitution Minderjähriger (§ 215a), Zuhälterei (§ 216), und grenzüberschreitender Prostitutionshandel (§ 217). Weil es laut § 216 StGB verboten ist, sich aus der Prostitution einer anderen Person eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, gibt es keine Möglichkeit, als Prostituierte in einem Angestelltenverhältnis zu arbeiten. Prostituierte gelten als „selbständig Erwerbstätige“.

In den einzelnen Bundesländern behandeln Landesgesetze weitere Regelungen von Prostitution wie Registrierungspflicht und zeitliche und örtliche Beschränkungen. Am strengsten ist die Regelung in Vorarlberg. Dort ist Prostitution nur in bewilligten Bordellen erlaubt, wobei aber bis jetzt (Stand Juli 2011) kein Bordell bewilligt wurde, sodass faktisch ein Prostitutionsverbot gilt. 2011 bestanden in Vorarlberg gleichwohl ca. 70 bis 100 illegale Bordelle. Es bestehen regional Werbeverbote, so etwa in der Steiermark.

Umfang


Österreichweit gab es im Jahr 2013 etwa 6.200 registrierte Prostituierte. Per 31. Dezember 2007 gab es 710 genehmigte Bordelle in Österreich.

Mitte 2018 gab es in Wien 3300 weibliche und 70 männliche registrierte Prostituierte mit Kontrollkarte („Deckel“). 1800 davon unterziehen sich regelmässig alle sechs Wochen einer Gesundheitsuntersuchung bei der MA 15. Die anderen sind zwar gemeldet, aber nicht (mehr) in Wien tätig. Schätzungen für die Zahl der nichtregistrierten Prostituierten in Wien schwanken zwischen 500, 3000, 3000 bis 4000 illegale Prostituierte[33] und insgesamt 5000 und 6000 Frauen, die in Wien legal oder illegal zumindest fallweise als Prostituierte arbeiteten. Nach niedrigen Schätzungen bedient eine Prostituierte täglich durchschnittlich drei Freier, sodass sich daraus eine Zahl von geschätzten 15.000 Freierkontakten pro Tag in Wien ergibt.

Anzahl registrierter Prostituierter in Österreich
Jahr Anzahl
2007 5150
2011 5500
2013 6200
2020 8000
Anzahl registrierter Prostituierter in Wien
Jahr Weiblich Männlich
1874 6424
1913 1879
1920 1387
1993 711
2003 460 14
460 625 bis 755
2006 1132 18
April 2007 1352 21
Nov. 2008 1728
2011 2500
2012 2758
2013 3300
Ende 2013 3390 67
Ende 2014 3542 70
Mitte 2018 3300 70
Mitte 2020 3500


Lokalisierung der Prostitution


Im Gegensatz zu anderen Städten, wie dem Bahnhofsviertel in Frankfurt, der Reeperbahn in Hamburg oder dem Rotlichtbezirk Walletjes in Amsterdam, gibt es in den österreichischen Städten keine speziellen Rotlichtviertel. Die Prostitution zeigt sich eher subtil ohne ausdrücklich aufzufallen und ist grossräumig verteilt, allerdings nicht völlig gleichmässig. So gibt es in Wien entlang des „Gürtels“ und angrenzender Gebiete eine Häufung von Bordellen. Darüber hinaus gibt es in fast jeder grösseren Strasse von Wien irgendeine Art von Sexshop, Nachtclub, Bordell, Laufhaus, Saunaclub, Peepshow oder Animierbar. Die einheimische Bevölkerung nimmt das aber kaum wahr, erst bei näherem Hinsehen erkennt man das dichte Netz der Sexindustrie. Der Strassenstrich war früher auf die Gürtelgegend sowie das Stuwerviertel und den nahe gelegenen Prater im 2. Wiener Gemeindebezirk konzentriert. Durch das Wiener Prostitutionsgesetz 2011 wurde aber der Strassenstrich in Wohngebieten verboten und hat sich seither an den Stadtrand in gesetzliche geregelte Erlaubniszonen verlagert.

Anzahl registrierter Prostituierter in den österreichischen Bundesländern (31. Dezember 2007)[32]
Bundesland Anzahl
Burgenland 180
Kärnten 260
Niederösterreich 600
Salzburg 500
Steiermark 1200
Oberösterreich 700
Tirol 160
Vorarlberg 50
Wien 1500


Herkunftsländer der österreichischen Prostituierten
Land Anteil 2011 Anteil 2013
Rumänien 29 % 38 %
Ungarn 25 % 26 %
Bulgarien 15 % 10 %
Slowakei 8 % 6 %
Nigeria 7 %
Tschechien 6 % 4 %
China 3 %
Österreich 4 % 3 %
Sonstige 6 %


Beratung für Prostituierte


Beratungsstellen für Prostituierte gibt es in Wien (Sophie, SOLWODI, Herzwerk), Linz (Lena), Graz (SXA-Info) und Kärnten (Talitha). Der Verein Lefö – Beratung, Bildung und Begleitung von Migrantinnen in Wien sowie Maiz in Linz bieten ebenfalls Beratung für Migrantinnen in der Sexarbeit an.